Der Gastkommentar

Brexit – Wie geht’s weiter nach dem Votum der Briten? Die Höllenhunde rasseln an den Ketten...

Von Klaus-Peter Wennemann

Hameln (wbn). Der Schock sitzt tief. Stürzt Europa ab? Versinkt die britische Insel im Abwärtsstrudel der wirtschaftlichen Isolation?

Hier kann ich nur auf wenige Teilaspekte eingehen und habe mich deshalb entschieden bewusst und vielleicht auch provokativ ein paar Ansichten abseits des „Mainstreams“ zu äußern.

Aussage 1: Die Briten sind europafeindlich

Wer sich die Ergebnisse im Detail anschaut, der stellt fest, dass junge Menschen, gebildetere Bürger, Einwohner großer Städte und große Gebiete in denen die Förderung und Zusammenarbeit mit Europa Alltag sind ( Schottland) pro Europa votiert haben. Also überall dort wo Europa gelebt wird sind Briten auch Freunde Europas. Auch bei uns würde sich dieses übrigens ähnlich darstellen. Deshalb ist die Aufklärung, was Europa für die Regionen leistet wichtig. Hier muss gerade die „Kritische Masse“ wesentlich aktiver mit Fakten überzeugt werden. Was tut Europa für seine Senioren oder den ländlichen Raum?

 

Fortsetzung von Seite 1

Aussage 2: Schuld ist David Cameron

Der britische Premier ist unmittelbar nach der Niederlage zurückgetreten. Ich hätte mir eine ebenso konsequente Haltung von Junker und Schulz gewünscht.

Sie tragen die Verantwortung für die Strategie der Nichteinmischung beim Wahlkampf. Wie oft haben wir die beiden Herren schulterklopfend mit dem griechischen Premier gesehen, wo man sich im Stundentakt eingemischt hat.

Ganz daneben der Kommentar von Junker nach dem BREXIT, dass man die Briten nun schnell von Bord bekommen sollte.

Die Migrationspoltik ist eines der wesentlichen Themen gewesen die zum „No“ geführt haben und gerade hier hat es keinerlei Unterstützung der EU für die Pro-Wahlkämpfer gegeben.

Natürlich hat auch David Cameron ein gerüttelt Maß Schuld, denn jahrelang haben britische Politiker den schwarzen Peter für Fehlentwicklungen nach Brüssel geschoben, was aber ganz offensichtlich bei allen nationalen Politikern ein beliebtes Vorgehen ist. Dann darf man sich nicht wundern, wenn man im Volk den Eindruck eines drangsalierenden und herrschsüchtigen Brüssel erweckt und das zeigte sich dann auch im Slogan der Gegner der EU, die den nationalen Kontrollverlust immer wieder herausstellten.

Entgegenwirken kann man solchen Tendenzen nur nachhaltig, wenn die fähigsten Köpfe nach Brüssel gehen und nicht eine Mischung aus Nachwuchstalenten und Ruhestandsanwärtern. Gerade Ziele einer einheitlichen Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik brauchen Topleute in Brüssel. Hier hat man bisher ein deutlich falsches Bild vermittelt.

Aussage 3: Wirtschaftlich wird das Vereinigte Königreich nun untergehen

Bereits in den 70er Jahren wurde dieses prophezeit und dann kam Maggi Thatcher. Mit eiserner Faust belebte sie britischen Siegeswillen und Nationalstolz und führte das Land, in den Methoden nicht unumstritten, aus des Krise. Man darf gespannt sein, welche Persönlichkeit diesmal die Rolle des Teamchefs, für die im Bewusstsein der Briten keiner mehr als Winston Churchill steht, übernimmt. Sicher bin ich mir, dass sich die zum Teil hochnäsigen Europäer wundern werden, wie schnell die Briten den ökonomischen Wettbewerb aufnehmen werden- besonders die City, immer noch das größte Finanzzentrum der Welt. Losgelöst von der engen EU- Regulierung und blödsinnigen Einfällen wie einer Transaktionssteuer, könnte sich hier sehr bald ein Offshorezentrum entwickeln, welches magnetisch die globalen Finanzströme anzieht, wie bereits in den 70er Jahren, als auch deutsche Unternehmen große Finanztransaktionen regelmäßig über den Finanzplatz London realisierten. Der Griff nach der Frankfurter Börse weist bereits heute den Weg.

Und mit dem Tiefstkurs beim britischen Pfund werden auch Traditionsindustrien, wie der Maschinenbau, die Fahrzeugindustrie oder der Elektroniksektor, die man in den letzten Jahren, zum Teil mit Kapital aus Asien wiederbelebt hat, schneller konkurrenzfähig.

Mit dem Ausbau der Off-Shore-Windparks in der Nordsee und dem Ausbau der Nuklearenergie wird Großbritannien kurzfristig ein idealer Standort für energieintensive Betrieb und einer der größten Energieexporteure der Welt.

Und wer glaubt, man könne die Insel in einer Strafaktion, in der Art der napoleonischen Kontinentalsperre vom Festland fernhalten, der sollte sich grade die deutschen Exporte in Richtung Insel einmal ansehen.

Im Gegensatz dazu könnte es in Europa ohne die marktwirtschaftlichen Interventionen der Briten zu einer immer stärker zentralistischen und regulierteren Politik a la francaise kommen und damit die Wettbewerbsfähigkeit weiter abnehmen.

Aus meiner Sicht ist Polen übrigens der große Verlierer des Referendums. Mehr als eine Million Polen arbeiten in Großbritannien und überweisen gewaltige Summen in ihr Heimatland. Polen ist größter Nettoempfänger der EU und UK der zweitgrößte Zahler. Völlig unklar ist, wer die Finanzierungslücke schließen soll- Polen steht damit als Verlierer für mich fest.

Aussage 4: Auswirkungen sind vor allem im Wirtschaftssektor zu erwarten

Fast bin ich geneigt zu sagen, dass dieses nur zu schön wäre.

Schockiert war ich, dass unmittelbar nach der Ergebnisveröffentlichung die nordirische Sinn Fein Partei, der politische Arm der IRA sich zu Wort meldete und quasi die Nordirlandfrage wieder auf die Tagesordnung setzte. Hoffentlich steht uns dort nicht wieder eine blutige Auseinandersetzung ins Haus. Und wo würde sich Europa dann positionieren? An der Seite des EU- Mitglieds Irland und eines Nordirlands welches sich pro Europa positioniert hat?

Schottland, da bin ich mir sicher, wird beim nächsten Referendum für die Unabhängigkeit votieren.

Spanien rasselt schon mit den Säbeln, was Gibraltar betrifft.

Aber nicht nur das Vereinigte Königreich scheint auseinander zu brechen. Auch im Resteuropa gewinnen nationalistische Populisten täglich an Zulauf und in den Niederlanden und Frankreich klopfen sie bereits an die Türen der Macht.

Ich rechne fest mit einem Dominoeffekt, zumal auch in Deutschland eine europakritische Diskussion aufleben wird, wenn es um die Aufstellung des europäischen Haushalts nach den fehlenden Zahlungen der Briten geht.

Besonders in Osteuropa wird man auch die militärische Kraft der Briten als wichtigen Faktor im Auge haben.

Fazit: Europa als ein Kontinent, der zusammensteht ist für mich als überzeugtem Europäer das wichtigste politische Ziel.

Denn Frieden und Wohlstand sind nachhaltig nur über ein vereintes Europa zu erreichen.

Um eine breite politische Akzeptanz, besonders in der Bevölkerung zu erreichen, muss das europäische Haus aber von Grund auf neu konzipiert werden. Um im Bild zu bleiben, ist mit den Briten ein statisch unverzichtbarer Teil zusammengebrochen, denn die Bodenplatte dieses Hauses muss mindestens aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien bestehen.

In der neuen architektonischen Struktur müssen auch die skandinavischen Länder und die Schweiz mit einbezogen werden, denn ein Grundkonstruktionsfehler ist, dass die gesamte Union zu südlastig ist.

Es muss klare Regeln geben, die auch eingehalten werden. Regionale Besonderheiten müssen Freiräume haben. Europas Stärke ist eben auch besonders seine kulturelle Vielfalt. Deshalb sollte Brüssel nur regeln, was unbedingt notwendig ist.

Es wäre fatal einfach zur Tagesordnung über zu gehen. Der von mir hochgeschätzte britische Historiker Ash hat gesagt, das der BREXIT der schlimmste Tag seines politischen Lebens war. Damit sich dieser BREXIT nicht in eine europäische Katastrophe verwandelt, muss man nicht mit „NO ist NO“ operieren, sondern radikal reformieren und zwar mit Großbritannien und nicht ohne.

Ich empfehle jedem der sich auf diesen schweren, aber unvermeidlichen Weg begibt den Liberalen und von der Queen geadelten Sir Ralf Dahrendorf, der in seinem Buch „Der Wiederbeginn der Geschichte“ im Kapitel „Von Europa nach EUropa“ bereits 1996 schreibt: „Das organisierte Europa lässt sich nicht durch die Hintertür der Wirtschaft, noch nicht einmal durch die Währungsunion schaffen. Ein politisches Ziel lässt sich nur mit politischen Mitteln erreichen.“

Als überzeugter Liberaler und uneingeschränkter Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft bin ich in diesen Tagen sehr besorgt, denn die Höllenhunde der Unfreiheit, die Populisten und Nationalisten rasseln an den Ketten.

 

 

 
female orgasm https://pornlux.com analed