Der Kommentar

Transparenz bis zur Ratlosigkeit - die Pressekonferenz von Tjark Bartels

Von Ralph Lorenz

Die Öffentlichkeit will Transparenz. Also wird sie geliefert. In Form einer weiteren Pressekonferenz aus dem Hamelner Kreishaus. Die Medien sind live dabei. Doch was der Landrat in Echtzeit zu verkünden hat, hätte sich auch in wenigen Sätzen in einer ergänzenden Pressemitteilung zu der vom Freitag sagen lassen.

Am Freitag vergangener Woche hat der Landrat Tjark Bartels öffentlich gemacht, dass ein leitender Mitarbeiter nachträglich einen Vermerk in einer Akte des Jugendamtes eingefügt hat. Bartels hatte dies missbilligt und umgehend den Mann freistellen lassen. Denn er kann im hochsensiblen Umfeld des Missbrauchsfalles auf dem Campingplatz bei Lügde den Verdacht einer wie und warum auch immer nachträglich optimierten Akte zu allerletzt brauchen. Aber der Super-Gau, wie in einem Tageszeitungskommentar zu lesen war, das war der Vorgang nun gewiss nicht.

 

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Super-Gau wäre zum Beispiel die vorsätzliche Manipulation eines Hinweises gewesen, der eindeutig auf eine zu Protokoll gegebene Anzeige des sexuellen Missbrauches durch den hauptverdächtigen Dauercamper von Lügde hätte schließen lassen. Der rauchende Colt gewissermaßen.

So eine klare Ansage ist bis heute unverändert und mit großem Nachdruck von der Kreisverwaltung bestritten worden. Es gibt nichts zu verbergen. Hier war stattdessen in der Jugendamts-Akte lediglich etwas „besser lesbar“ gemacht worden, was die Staffelübergabe zweier Familien-Dienste in der Betreuung des Hauptverdächtigen betraf. Des Tatverdächtigen, der aber zu diesem Zeitpunkt aus Sicht der Jugendbehörde zunächst nur der Pflegevater war und niemand, der tagtäglich ein ihm von der Mutter anvertrautes Mädchen missbraucht, wie es sich aus heutiger Sicht darstellt.

Die Medien hatten mehr ertwartet

Wie gesagt, das wäre normalerweise ein Zusatzvermerk für die Presse gewesen und hätte weiteren Spekulationen erstmal einen Riegel vorgeschoben. Doch Landrat Bartels hat sich die Chance nicht entgehen lassen daraus eine einstündige Pressekonferenz zu veranstalten, die in der Hauptsache transportieren soll wie sorgfältig, transparent, verantwortungsbewusst und detailversessen die interne Prüfung eines möglichen Behördenversagens in seinem Kreishaus vonstatten geht.

Irgendwie war da als Folge eine gewisse Ratlosigkeit unter den Pressevertretern zu spüren. Sie hatten wohl anderes erwartet.

Bleiben da noch zwei kleine Informations-Knöchelchen übrig, die nebenbei vom Tisch der Pressekonferenz gefallen sind und die von der Tagespresse nun auch schon emsig mangels besserer Ausbeute abgenagt werden.

Zum einen: Die eingetretene Betreuungspause von acht Wochen etwa, die vom Landrat im Nachhinein selbst kritisch gesehen wird.

Und zum zweiten der Umstand, dass der „Pflegevater“ des missbrauchten Mädchens  - man mag den Begriff Pflege-Vater schon gar nicht verwenden – mit einer Familienbetreuerin nicht klar gekommen ist. Beziehungsweise die nicht mit ihm.

Der 56 Jahre alte Mann wurde wohl als uneinsichtig eingestuft, was gut gemeinte pädagogische Ratschläge und Hilfestellungen betraf. Da hätte sich dann überhaupt die Frage gestellt: Ist dieser Mann, der sich als so unkooperativ erweist, grundsätzlich als Pflegevater überhaupt geeignet?

Aber er war wiederum die ausdrückliche Wahl der Mutter des Kindes, die solch eine Pflegeperson auch bestimmen darf, was der Behörde in vielerlei Dingen den Bewegungsspielraum eingegrenzt hatte. Das bislang seltsam teilnahmslos erscheinende Verhalten der Mutter gehört auch zu den bemerkenswerten Wendungen in diesem makaber-kuriosen Geflecht von Ereignissen, das diesen unerträglichen Missbrauchsfall von Lügde kennzeichnet.

Nach der Mutter und ihrer Rolle fragt niemand

Die Frage liegt nahe: Wie sah es um ihre eigene Mutter- und Fürsorgepflicht aus? Wie oft hat diese Mutter eigentlich ihre minderjährige Tochter sehen wollen? Was man ja durchaus erwarten kann wenn sie ihr leibliches Kind woanders deponiert? Zum Beispiel durchaus auch mal nicht angemeldet nach 19 Uhr beim Pflegevater auftauchen, wäre ja auch ein von Verantwortung zeugendes Verhalten einer Mutter? Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Dass sexuelle Übergriffe an minderjährigen Kindern gerade im Verwandten- und Bekanntenkreis vorkommen, der "gute Onkel" eben, ist eine Binsenweisheit. Und dennoch für die Beteiligten immer wieder eine Überraschung.

Niemand hätte es der Mutter verwehrt zu ungewöhnlicher Zeit nach ihrer Tochter zu sehen. Auch, wenn sie in ihren Möglichkeiten eingeschränkt gewesen sein sollte: Eine Mutter setzt viele Hebel in Bewegung wenn sie ihr Kind sehen will. Auf seltsame Weise ist sie in der ganzen Tragödie völlig außen vor. Das muss auch mal angemerkt werden.

Die ganze Pressekonferenz hinterlässt ein schales Gefühl. Und es wird nicht die letzte Presserunde im Kreishaus sein.

Eines ist gewiss: In mindestens einer der beteiligten Behördenstellen tickt die Zeitbombe eines vertuschten, verschlampten, fehl interpretierten oder negierten Sachverhaltes.

Das kann nicht anders sein, wenn so viele gezielte Hinweise von glaubwürdig besorgten Zeugen bei gleich mehreren Amtsstellen eingegangen sind und nirgendwo Spuren einer angemessenen Reaktion hinterlassen worden sind.

Das ist so als wären mindestens zwei Feuermelder unabhängig voneinander in Panik eingeschlagen worden - und nirgendwo liegen die Glasscherben rum, nirgendwo ist ein Alarm registriert worden. Niemand hat‘s klirren gehört, aber irgendjemand hat die Splitter am Feuermelder klammheimlich aufgefegt. Vor allem aber: Nirgendwo rückt die Feuerwehr aus.

Man darf ja auch hier mal hinterfragen: Wenn eine Institution wie der Kinderschutzbund alarmiert wird, die Gefahr offenbar auch sofort erkennt und unverzüglich weitermeldet, damit auch zum Mit-Wisser wird - warum hat der Kinderschutzbund dann nicht hartnäckig nachgefragt? Wenn nicht sowas auf "Wiedervorlage" gelegt wird. Was dann? Mit-Wissen bedeutet Mit-Verantwortung und die klebt dann wie Pech an den Schuhen. Und reichen dann Ansagen auf den Anrufbeantworter und sonstige Telefonate, wo doch unmittelbar Gefahr in Verzug ist? Muss man dann nicht dort sein wo's brennt?

Beim Verdacht auf Tierquälerei laufen Institutionen zur Hochform auf

Hinweisen auf Tierquälerei wird in unserer Gesellschaft manchmal energischer nachgegangen als Hinweisen auf gequälte Kinderseelen. Da stehen sie dann unangemeldet im Doppelpack vor der Tür und stellen hartnäckig Fragen, wollen das tatsächliche oder vermeintliche vierbeinige Opfer unverzüglich sehen. .

Es ist nicht Aufgabe von Landrat Tjark Bartels den Staatsanwalt und Superermittler in der eigenen Behörde zu spielen. Das wäre verdächtiger Aktionismus. Im Gegenteil, er würde Ermittlungen damit behindern. Er kann nur den Ermittlern auf deren Anforderung hin zuarbeiten und sie im Interesse der Glaubwürdigkeit seiner Verwaltung nach Kräften und ohne Ansehen der Person unterstützen.

Doch es ist wiederum eine undankbare Doppelrolle. Seine Mitarbeiter müssen aber auch von ihm erwarten können, dass er sich zunächst einmal schützend vor sein Haus stellt. Dass tut er sichtbar. Bartels ist nicht der Hahn, der sich zwischen den Hennen versteckt, wenn Gefahr aus der Luft droht.

Aber der Presse muss auch gestattet sein mit gesteigertem Unbehagen und ungläubigem Staunen diese Verkettung merkwürdiger Umstände zu verfolgen, die einfach nicht mehr nachvollziehbar erscheinen: Der große Knall steht noch bevor.

Wo und auf welcher Ebene auch immer!

Der Innenminister und die Großmutter

Im Notfall muss eben Reuls Großmutter mit dem richtigen Riecher anrücken.

Reul ist der Innenminister aus dem fernen Düsseldorf. Sogar seine Großmutter hätte gemerkt, dass da in Lügde auf dem Campingplatz was nicht stimmt, hatte der Innenminister von Nordrhein-Westfalen breitbeinig verkündet. Aber was da im einzelnen nicht stimmt, hat sie ihm auch nicht verraten. Doch er spricht schon mal von Behördenversagen. Und da mindestens drei Behörden beteiligt sind, wird es eine treffen.

Tjark Bartels spricht wiederholt von der "furchtbaren Unvermeidlichkeit des Scheiterns". Da ist was dran. Wäre die Angelegenheit aber ein Problem auf philosophischer Ebene, so ließe sich trefflich feinsinnig disputieren. So aber geht es um ein Kind, das sich jahrelang nicht auf den Schutz der Gesellschaft verlassen konnte und diesen drei Monstern ausgeliefert war. Und mit ihm dreißig weitere Opfer!

Es geschah mitten unter uns.

Im Weserbergland.

Dort, wo die Menschen sich am nächsten sind, sich dicht an dicht in dieser nicht mehr schalldichten Nachbarschaftsidylle auf die Pelle rücken und schonmal Dinge mitbekommen, die sie gar nicht hören und sehen wollen: Im vermeintlichen Camping-Paradies.

Und dort wiederum in der allerschmuddeligsten Ecke eines Bretterverhaus, der sofort ins Auge sticht, ist das Unbeschreibliche tausendmal geschehen.

Das kann man niemandem erzählen. Das glaubt einem keiner.

 

 
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