Der Kommentar

Zutaten einer (traurigen) Provinzposse: Affelt, die "liebe Esin" und Erdogan

Von Ralph Lorenz

Es war wohl zu vorgerückter Abendstunde als Helmut Affelt, der Bürgermeister von Stadtoldendorf, eine gar nicht so lieb gemeinte Mail an die „liebe Esin“ gesendet hat.

An Esin Özalp, die Integrationsbeauftragte in selbiger niedersächsischer Kleinstadt. Beide sind, politisch gesehen, Niemande. Jetzt sind sie Welt-bekannt. Denn auch die Welt hat über dieses denkwürdige E-Mail berichtet, nachdem der NDR die Sache bundesweit publik gemacht hat. Doch der Reihe nach und ausdrücklich zunächst aus der Perspektive des Provinz-Bürgermeisters.

 

 

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Der hat ja durchaus einen nachvollziehbaren Standpunkt eingenommen.

Warum sollen sich die Demokraten in Deutschland, in Berlin und im kleinen Stadtoldendorf nebst Eschershausen von einem Despoten wie Erdogan in Ankara kollektiv abwatschen und in die Nazi-Ecke stecken lassen?

Warum muss sich die Kanzlerin von diesem Mann im Hinterhofjargon duzen lassen?

Und hat sich nicht auch der deutsche Normalo zumindest einmal die Frage gestellt: Warum nehmen uns die Millionen Türken, die unter uns im Wohlstand des Wirtschaftswunders leben, auf deutsche Markenprodukte schwören, BMW fahren und deutsche Meinungsfreiheit und Werteordnung als selbstverständlich ansehen, von der Gastfreundschaft ganz zu schweigen, nicht mal gegen den Wüterich Erdogan in Schutz?

Einem Mann, der willkürlich deutsche Staatsbürger als Geiseln nimmt, bis hin zu international angesehenen Literaten, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Warum erfolgt also kein ehrlicher türkischer Aufschrei von deutschem Boden gegen den Schreihals am Bosporus?

Warum hat stattdessen dieser AKP-Demagoge in Massen Briefwahlstimmen ausgerechnet aus der türkischen Gemeinde in Deutschland bekommen, die es doch besser wissen müsste?

Ja, so könnte es gewesen sein. Aus der Sicht des Bürgermeisters in Stadtoldendorf.

Doch ein solcher Aufschrei der Empörung will natürlich an einen Türken oder eine Türkin aus nächster Umgebung adressiert sein. Am besten an die nächstbeste türkisch aussehende Türkin, die man so kennt.

Und so kam wohl die „liebe Esin“ ins Visier. Die ist so lieb, lieber geht’s nicht. Sie ist eine Kümmererin in Sachen Integration. Man kennt sie im Ort. Genau sie, wer denn sonst, sollte sich also öffentlich äußern, gegen Erdogan klar Stellung beziehen. Und so tippte Affelt möglicherweise im Affekt folgenden Satz in die Tasten, der ihm jetzt an den Fingern klebt wie Pattex und den er nicht wieder los wird: „Liebe Esin, bitte äußere Dich sehr zeitnah öffentlich zu dem Problem. Ansonsten bist Du meiner Ansicht nicht mehr politisch als Integrationsbeauftragte der Stadt Stadtoldendorf tragbar. Wenn Du Dein Amt zurückgeben willst, dann hätte ich in der Situation großes Verständnis.“

Wer jetzt aber ein Problem hat, ist nicht die Esin, sondern der Helmut.

Denn was er da zu Papier bringt, ist die Erpressung einer lupenreinen Demokratin. Warum soll ausgerechnet sie sich für Erdogan rechtfertigen und von ihm distanzieren?

Ist ihre SPD-Mitgliedschaft nicht Statement genug? Hat nicht soeben der SPD-Spitzenpolitiker Gabriel eine Art Reisewarnung an alle Deutschen für die Türkei ausgegeben? Weist ihre Integrationsarbeit sie nicht als konstruktive und vorbildliche Brückenbauerin aus?

Und überhaupt, was erlauben sich Affelt?

Die Esin ist nachweislich Deutsche, mit deutschem Pass. Das weiß Affelt doch! Nicht Erdogan sondern Frank-Walter Steinmeier sei ihr Präsident, kontert sie dem Kritiker aus dem Stadtoldendorfer Rathaus und zeigt sich entsetzt über die nächtliche Attacke. „So geht's nun mal eben nicht", springt auch die Landesintegrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf (SPD) ihrer Genossin zur Seite.

Für die CDU im Kreis Holzminden scheint die Sache peinlich zu sein. Sie schweigt sich lautstark aus. Der Wahlkampf ist fast ein Selbstläufer – und da grätscht ein Dorf-Politiker dazwischen der noch gar nicht so lange in der Partei ist und auch sonst noch nicht viel von sich Reden gemacht hat.

Nun ja, man scheint es als Privatsache zu deuten. Ein privates E-Mail zu privater Stunde. Nicht aus dem Rathaus abgesendet. Bei Helmut Kohl hätte man das Aussitzen genannt.

Dumm nur, dass genau diese Interpretation absolut unzulässig ist. Das E-Mail ist wie folgt unterzeichnet: „Helmut (Bürgermeister der Stadt Stadtoldendorf)“. Da wedelt er also noch mit seinem Amtstitel der lieben Esin heftig vor der Nase.

Damit haben die Stadtverwaltung, der Gemeinderat und, ja eben auch die CDU-Parteifreunde ein Problem.

Privat sieht anders aus.

Und Affelt spricht nicht nur als Bürgermeister sondern erinnert auch ausdrücklich an seine Parteizugehörigkeit.

Wenn sich jetzt jemand ins Fäustchen lachen dürfte, dann wäre das ein gewisser Erdogan im fernen Ankara, dem Stadtoldendorf ansonsten ziemlich egal sein dürfte. Und da war noch was:  Affelt selbst ist von Erdogan niemals explizit als "Türkeifeind" bezeichnet worden. Das ist gewissermaßen getürkt...

Zur Dokumentation, die Affelt-Mail:

Betreff: Integrationsbeauftragte der Stadt Stadtoldendorf

Liebe Esin,
angesichts der verbalen Angriffe gegen demokratische Parteien in Deutschland durch den türkischen Präsidenten Erdogan, halte ich es für dringend geboten, dass Du Dich als Integrationsbeauftragte, als SPD Parteimitglied und als Mandatsträgerin öffentlich äußerst. Du bist deutsche Staatsbürgerin.
Ich bin Bürgermeister der Stadt Stadtoldendorf und pflege einen freundschaftlichen Kontakt zu der türkisch stämmigen Community in Stadtoldendorf.
Ich bin CDU Mitglied und fühle mich persönlich verletzt, wenn ich als "Türkeifeind" durch Präsident Erdogan bezeichnet werde.
Liebe Esin, bitte äußere Dich sehr zeitnah öffentlich zu dem Problem. Ansonsten bist Du meiner Ansicht nicht mehr politisch als Integrationsbeauftragte der Stadt Stadtoldendorf tragbar.
Wenn Du Dein Amt zurückgeben willst, dann hätte ich in der Situation großes Verständnis.

Lieben Gruß an Deine Familie!
Helmut (Bürgermeister der Stadt Stadtoldendorf) E-Mail von Helmut Affelt

 
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