Der Kommentar

In eigener Sache: Warum wir ein paar Zeilen über PUR verlieren, aber keine Bilder bringen... 

Von Ralph Lorenz

Bis spät in den Abend hat „PUR“ seine Show im Hamelner Bürgergarten abgezogen. Gut 8.000 Fans standen auf dem Gelände vor der aufwendigen Showbühne, es hätten sogar durchaus noch etwas mehr sein können. Platz war jedenfalls genug. Das Publikum konnte zufrieden sein – die deutsche Band mit den positiven Botschaften hat ihr Stammpublikum und bedient es zuverlässig. Insofern hatte die Stadtsparkasse Hameln als Veranstalter auf eine „sichere Bank“ des Showgeschäfts gesetzt und damit vor allem viele Gäste von außerhalb ihres eigentlichen Verbreitungsgebietes zu der Party nach Hameln gelockt, die ein Höhepunkt zum 175-jährigen Jubiläum war. So weit, so gut.

Was weniger erfreulich ist: Auch bei PUR hat sich die Unart längst eingeschlichen, die Arbeit der Pressefotografen erheblich zu beschränken. Bei den ersten drei Liedern darf fotografiert werden – und dann ist Schluß. Das findet man beim Management höchst professionell und leider lassen das die Provinzgazetten landauf landab widerspruchslos mit sich machen. Die Weserbergland-Nachrichten.de haben sich dem einmal mehr widersetzt, weil es, wie viele andere Künstler mit Bodenhaftung zeigen, auch anders geht.

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Der zahlende Veranstalter hat durchaus auch Einfluß auf den Bewegungsspielraum für die  Presse, wenn er sich dafür nur genug einsetzt. Doch hier ließ der Sprecher der Stadtsparkasse Hameln über Dritte (einen Ordner) ausrichten, das sei eben von der Band und ihrem Management so verlangt. Daraufhin haben die Weserbergland-Nachrichten.de dankend auf eine Reportage verzichtet!

Warum eigentlich nur bei den ersten drei PUR-Liedern fotografieren? Was wäre, wenn in der Bundesliga nur die ersten drei Minuten aufgenommen werden dürften? Im Bundestag nur die ersten drei Redner? Im Afghanistankrieg nur die ersten drei Einsätze? Was wäre, wenn die Kunden der Stadtsparkasse Hameln nur die ersten drei Euro einzahlen und dann Feierabend sagen würden ?

Ein altes Lied: Als die Presse nur Mittel zum Zweck war

Die Versuche der Pressefotografie Fesseln, den Berichterstattern einen Maulkorb zu verordnen, hat eine inzwischen lange Tradition. Auf seinen Reichsparteitagen ließ sich der von Flatulenzen geplagte GröFaZ (größte Führer aller Zeiten) stets nur aus einer bestimmten Perspektive fotografieren. Die offizielle Bildsprache der Olympischen Spiele von Berlin wurde von Leni Riefenstahl festgelegt und setzte Maßstäbe für heroisch anmutende Optik-Orgien mit den Kameraobjektiven – vornehmlich Froschperspektive und Weitwinkel. Die Presse wurde ausschließlich als Mittel zum Zweck angesehen. In der Deutschen  un-Demokratischen Republik (DDR) schloß sich dieses Verfahren nahtlos an.

Anders die Pop-Heroen aus den späten 60ern in Westeuropa: Die Rolling Stones in ihren wildesten Jahren ließen sich schweißüberströmt, ekstatisch verzerrt auf der Bühne und backstage ablichten. Sie hatten keine Angst vor dem authentischen Augenblick der Schwäche, des Bekifftseins, vor der Schattenseite der Ikonenmalerei mit dem Kameraobjektiv. Pressefotografen haben hier Kunstwerke für die Ewigkeit geschaffen, die auf Auktionen viel Geld erzielen. Diesen  Profifotografen wäre es nie in den Sinn gekommen sich auf eine kleinkarierte drei Lieder-Foto-Handschelle einzulassen.

Manche Bands lassen nur ein bestimmtes Lied zum Fotografieren zu

Es gibt inzwischen leider durchgeknallte Bands, die wollen, dass nur bei einem bestimmten Lied fotografiert wird. Und dann überhaupt nicht. Und es gibt Bands, die wollen gar nicht fotografiert werden.

Warum eigentlich? Manche Manager verlangen von dem Fotografen, dass er das Bild sogar nur einmal und nur für eine bestimmte Publikation verwendet. Andere wollen gar die Fotos vorher sehen und „freigeben“?

Als PUR so pur war, dass die Herrschaften noch niemand gekannt hatte, da waren sie über jeden froh, der sie mit der Verheißung ablichtete, in irgend einer Provinzgazette im Veranstaltungskalender briefmarkenklein ein PUR-Bildchen zu veröffentlichen. Doch das Phänomen ist wie gesagt nicht auf PUR beschränkt.

Pressefotografen und Showgrößen sind in Wirklichkeit voneinander abhängig

Es ist Ausdruck des Größenwahns auf der Showseite und der Rückgratlosigkeit auf der Seite der Pressefotografen. Dabei sind sie beide voneinander abhängig. In Wirklichkeit definiert die Präsenz in Print-, Funk- und TV-Medien den Marktwert der Stars. Das wiederum bedeutet bares Geld. Der Marktwert kann sich aber sehr schnell verflüchtigen, wie vor allem Dieter Bohlens Super-Superstars leidvoll erleben, mit der Halbwertszeit von Eintagsfliegen. Deshalb haben einige große Fotoagenturen und Hauptstadtfotografen auch schon knallhart reagiert und den immer unverschämter werdenden Fotografie-Auflagen der sich hyperwichtig nehmenden Manager ein klares Nein entgegengesetzt.

Engler will den ehrlichen Typ spielen - doch wieviel Ehrlichkeit verträgt er wirklich?

Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit seien geradezu das Markenzeichen von PUR-Frontmann Hartmut Engler, heißt es auf der offiziellen Homepage der Band. Na, dann soll er doch auch ehrlich zulassen, dass ehrliche Bilder entstehen. Und die entstehen nicht in den ersten drei Blendax-Strahlemann-hier-bin-ich-Minuten am Anfang, sondern in der zweiten Hälfte der Show. Auch dann, wenn die Konzentration nachlässt und der Gigant menschelt. Insider haben freilich eine ganz andere Erklärung für dieses bevormundende Verhalten: Es geht um Merchandising, um die fette Kohle des Fan-Geschäfts. Es könnte ja sein, dass ein Fotograf die ganze Show hindurch arbeitet und anschließend einen eigenen Fotoband veröffentlicht, ohne dass Band und Management die Hand aufhalten können. Da bricht dann der wahre Angstschweiß aus.

Da gibt’s nur einen Rat: Im Keller spielen, in der Dunkelheit und möglichst so, dass es niemand hört. Denn es könnten ja auch heimlich Mitschnitte gemacht werden. Dann müsste PUR eben ohne Publikum spielen, so wie damals, als die Jungs und ihr Management noch nicht der branchenübliche Größenwahn gepackt hatte.

Und eine Ministerin hätte es auch noch gern, wenn nur bestimmte Worte benutzt würden...

Während sich die Arbeitsbedingungen der Fotojournalisten immer mehr erschweren, schreitet auch der Versuch der Beschränkung der schreibenden Zunft in Geist und Wort voran. Jüngst erst kam Niedersachsens neue Sozialministerin auf die absurde Idee, die Journalisten des Landes eine Selbstverpflichtung unterscheiben zu lassen, die als Sprachregelung für künftige Berichte über Migrationsprobleme dienen sollte. Natürlich, auch das war eigentlich nur gut gemeint. Wie wär‘s mit den ersten drei Gedanken – und dann wird das Laptop bei der Security abgegeben? So wie die Security im Bürgergarten die Kameras nach den ersten drei Liedern kassiert hat? Die Weserbergland-Nachrichten.de haben das Theater nicht mitgemacht und den „Gig“ boykottiert.

Wahnsinn pur: Als PUR sang, standen 8000 Handy-Kameras auf Dauerfeuer

Die Pointe des Ganzen: Während PUR sang und die Security am Eingang alles Knipsegerät beschlagnahmte und der Einfachheit halber auf den Boden legte, haben 8000 Kamerahandys pausenlos geblitzt. Es wurden Handyvideos gedreht bis der Akku streikt und die Vorbereitungen dafür getroffen das Bildmaterial schnellstmöglich über youtube unkontrolliert ins Internet zu laden.

Auch wir haben von etlichen Lesern Handy- und Minikamera-Bilder zugemailt bekommen. An verfügbarem Bildmaterial von Leser-Reportern hätte es so gesehen nicht gemangelt. Wir bleiben aber auch hier konsequent und bringen kein Bildmaterial. Wir verfolgen hier eine glasklare Linie: Weil wir uns von niemandem Vorschriften machen lassen zu welchem Zeitpunkt und was wir fotografieren. Das sind wir unseren Lesern der Weserbergland-Nachrichten.de schuldig.

Wo sind all die Indianer hin?

 „Wo sind all die Indianer hin? Wann verlor das große Ziel den Sinn?“ Engler hat das mitgetextet. Klingt ja gut.

Er selbst sollte das als alter Plattfußindianer aber nicht nur singen, sondern auch mal darüber nachdenken.

Das gilt übrigens auch für den Veranstalter, der sich bei den als branchenüblich dargestellten Zumutungen für die Pressefotografen sicher nichts dabei gedacht hat, weil das ja vom Bandmanagement einfach gefordert wurde und offenbar alle so machen.

Aber genau das ist ja das Problem. Das Denken. Es bleibt  immer unbequem, erfordert mehr als die drei erstbesten Gedanken für all diejenigen, die wirklich weiterdenken. Die wirklich guten Gedanken kommen oft zum Schluß. Wie die Bilder.

 
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