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Der Kommentar

Österreich/Italien: Wiener Walzer und Hotsteps auf dem Vulkan

Von Reinhard Brockmann

Österreich hui, Italien pfui. In Wien siegt die Vernunft. Sie wählen den moderaten Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten. Alles Walzer. Den Italienern sind dagegen 70 Regierungskrisen seit Kriegsende nicht genug. Sie schicken Regierungschef Matteo Renzi in die Wüste und reißen die EU gleich mit ins nächste Drama. Was für ein Wochenende!

In Rom jubeln wieder die, die auf dem Vulkan tanzen. Renzis Rücktritt verschlimmert die Extrem-Verschuldung der kränkelnden Volkswirtschaft,  Beppe Grillos Protestbewegung wittert Morgenluft. 2018 muss  allerspätestens gewählt werden  und Brüssel ist konsterniert. Europas Spitzen hatten Renzi gewarnt, nicht sein  persönliches Schicksal mit der dringend erforderlichen Verfassungsbereinigung zu verknüpfen. Der jüngste italienische Regierungschef aller Zeiten hat nicht auf die Old-School-Kollegen gehört. Sein größter Fehler.

Zum Autor:
Reinhard Brockmann ist Publizist und politischer Korrespondent für mehrere Tageszeitungen in Deutschland. Er schreibt auch für die Weserbergland-Nachrichten.de (Foto: Weber)

 

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Allerdings: Ein Rücktritt in Rom ist meist nur ein Eintritt in die Drehtür. Wir werden Renzi  wiedersehen. Denn trotz ständig wechselnder Kabinette, kommender und gehender Parteien finden sich in der Spitze all zu häufig die gleichen Leute wieder.  Vermutlich kommt jetzt eine Übergangsregierung aus Technokraten, die ein frisches junges Gesicht braucht. Staatspräsident Sergio Matarella muss es richten. Unsere Empfehlung: Renzi Reloaded.

Und nördlich des Stiefelstaates?  Felix Austria darf sich glücklich schätzen. Österreich ist eine  sichere  Regierungskrise erspart geblieben.  In dem an sich tief gespaltenen Land unterlag der  Populist  Norbert Hofer einem Kandidaten der Grünen. Glückwunsch dem Alpen-Kretschmann.

Es war der dritte Anlauf zur Wahl eines Bundespräsidenten und er war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Die Republik erlebte  erstmals einen Urnengang  mit Bedenkzeit.

Die großen Volksparteien SPÖ und ÖVP   blieben nach der ersten Runde außen vor. Auch das gab es in Österreich noch nie. Der zweite Wahlgang am 22. Mai mit dem hauchdünnen Vorsprung für  Van der Bellen durfte nicht gewertet werden. Das System hatte technisch versagt.  Das roch schon nach    Empfehlung  für  Hofer. Schließlich will seine  FPÖ   mit „denen da oben“ aufräumen und Behörden-Schlendrian ausmerzen. Gottlob lagen die Experten mit dieser Vorhersage genauso falsch wie mit ihrer  Prognose des Endergebnisses.

Das historisch wirklich  einmalige an dieser Wahl aber war, dass der dritte Anlauf den Wählern eine zweite Chance gab, ihr Votum zu überdenken. Und das ist die gute Nachricht. Bei aller Wut im Bauch auf Europa und  Angela Merkels Flüchtlingspolitik verschob sich zu guter letzt das Gewicht auf die Seite  derer, die  sahen, was auf dem Spiel stand.

Neben dem europaweiten Brexit-Erschrecken hat es  vor allem an  Donald Trump gelegen. Dessen  als unmöglich erachteter Sieg  muss   den  Österreichern kar gemacht haben: Hallodri und Harakiri liegen verdammt nah beieinander.  Ihr Land braucht keinen Abklatsch eines künftigen US-Präsidenten, der in der Riege der Unberechenbaren  irgendwo zwischen Wladimir  Putin und Recep Tayyip Erdogan irrlichtert. Und Wirtschaftsexperimente aus britischem Snobismus heraus  wollen die Österreicher schon gar nicht.

Vielleicht war es sogar noch  einfacher. Der   Schmäh des Norbert Hofer hat  sich angesichts der Überangebots an Populisten auf der weltpolitischen Bühne selbst vom Platz gestellt -  als   billigen Abklatsch der ganz großen Hetzer.  Das wäre eine noch bessere Nachricht. Der Trend zum faktenfreien Wutausbruch wäre gestoppt, vielleicht sogar schon umgelenkt.

Nebenbei: Österreichs  doppelte Wahl im Abstand einiger Monate mit denselben Kandidaten und immer gleichen Argumenten bescherte   Forschern eines der größten demoskopischen Experimente am offenen Wählerherzen. Wissenschaftler und Propheten  dürften  den Vorgang  mit Faszination beobachtet haben. Auch das ist gut so, denn unsere Auguren müssen noch viel lernen.

 

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