Blut- und Boden-Gedankengut in der modernen Planzensoziologie

Der Tüxen-Preis in Rinteln - mit nationalsozialistischen Tücken behaftet

Montag 28. Mai 2018 – Berlin / Rinteln (wbn). Wer hätte das gedacht? Der angesehene Reinhold-Tüxen-Preis in Rinteln ehrt mit dem Namensgeber auch einen ehemaligen Nazi-Wissenschaftler.

Am 1. Juni wird in Rinteln der Reinhold-Tüxen-Preis vergeben, der Personen auszeichnet, die „Hervorragendes in Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Vegetationskunde“ geleistet haben. Der Preis wurde gestiftet von der Stadt Rinteln, die damit ihren Ehrenbürger Reinhold Tüxen ehrt. Tüxen gilt als einer der Begründer der modernen Pflanzensoziologie in Deutschland, seine Karriere begann jedoch nicht ohne Grund im Nationalsozialismus.

 

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Bis vor wenigen Wochen wurde auf der Webseite der Stadt Rinteln in dem Artikel über Reinhold Tüxen die NS-Zeit weitgehend ausgespart. Nachdem die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) Kontakt mit politischen Entscheidungsträger_innen der Stadt Rinteln aufgenommen und um Klärung des Sachverhaltes gebeten hatte, wurde die Webseite überarbeitet. Hier findet sich nun ein Beitrag von Prof. Richard Pott, dem Vorsitzenden der Reinhold-Tüxen-Gesellschaft, in dem es zu Tüxens Beteiligung an den Planungen der Autobahnbegrünung lapidar heißt: „Aber mit Nazi-Ideologie oder gar Nazi-Verflechtung hatte der Auftrag nichts zu tun.“

Diese Einschätzung teilt FARN nicht. Reinhold Tüxens Karriere begann nicht nur im Nationalsozialismus, sie war vielmehr eng mit ihm und seinen Ideologien verknüpft. Der nationalsozialistische Naturschutz war geodeterministisch geprägt. Man ging davon aus, dass die Landschaft der „Lebensraum“ für das Volk ist, also das in ihr lebende Volk prägt und es schlussendlich sogar hervorbringt. Ausgehend von diesem Gedankenmodell wurde ab 1941 der rassenideologische Vernichtungskrieg um „Lebensraum im Osten“ geführt. In ihm wurden 26 Millionen Sowjetbürger ermordet, darunter 15 Millionen Zivilisten. Ziel war die „Germanisierung“ der Landschaft, um das „deutsche Volk“ hier ansiedeln zu können.

Eine wichtige Struktur im nationalsozialistischen Naturschutz entstand auf wissenschaftlicher Ebene um Reinhold Tüxen. Im Handbuch der völkischen Wissenschaften: Akteure, Netzwerke und Forschungsprogramme heißt es hierzu: „Im Hinblick auf die Legitimation (…) darf die wissenschaftliche Ebene nicht vergessen werden. Hier spielt Reinhold Tüxen, der durch seine Vegetationskartierungen und die darauf beruhenden Pflanzenempfehlungen heimischer Arten die Blut-und-Boden-Ideologie scheinbar belegte, eine Schlüsselrolle.“

Konkret war Tüxen durch seine Kartierungsarbeiten und sein Konzept der „potentiell natürlichen Vegetation“ (die Nationalsozialisten nannten es „bodenständig“) am Bau der Autobahnen, der Planung des Reichsparteitagsgeländes und des Westwalls beteiligt. Es ist außerdem davon auszugehen, dass Tüxen an der Begrünung von Auschwitz-Birkenau sowie an der Planung der „deutschen Musterstadt“ Auschwitz beteiligt war. Er selbst erwähnte hierzu 1942, dass „in der Nähe von Auschwitz (…) von einem größeren Gebiet eine Vegetationskartierung als Grundlage der Neuordnung aller Wirtschaftsverhältnisse hergestellt (wurde)“.

Im selben Jahr widmet sich Tüxen auch dem „Ausrottungskrieg“ des kleinwüchsigen Springkrautes im Hannoveraner Stadtwald Eilenriede: „Wie beim Kampf gegen den Bolschewismus unsere gesamte abendländische Kultur auf den Spielen steht, so beim Kampf gegen den mongolischen Eindringling eine wesentliche Grundlage dieser Kultur, nämlich Schönheit unseres heimischen Waldes!“.

FARN fordert deshalb die Stadt Rinteln und die Reinhold-Tüxen-Gesellschaft auf, die Bedeutung von Reinhold Tüxens Tätigkeiten für das Nazi-Regime wissenschaftlich aufzuarbeiten und damit einen Beitrag zur Gedenk- und Erinnerungsarbeit zu leisten.

Lukas Nicolaisen, Leiter der bundesweit tätigen Fachstelle, sagt: „Auch mehr als 70 Jahre nach Tüxens Tätigkeit für SS-Großprojekte wie Auschwitz bleibt diese keine Randnotiz seines Lebenswerks, sondern prägte sein Naturverständnis. Deshalb kann heute kein Preis nach ihm benannt sein.“

Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) wurde von den NaturFreunden Deutschlands und der Naturfreundejugend Deutschlands gegründet. FARN untersucht die historischen und aktuellen Verknüpfungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit extrem rechten und völkischen Strömungen und bietet bundesweit Bildungs- und Informationsveranstaltungen zu diesem Themenkomplex an. Weitere Informationen gibt es unter www.nf-farn.de.

FARN wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.

 

 

 
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