Nachdenkliches am Rande der ersten Ver.di-Demo in der Geschichte des BHW

Bsirskes großes Theater auf der Hamelner Rattenfänger-Bühne - wenn sich dann der Vorhang schließt, wird der Beifall enden wollen

Von Ralph Lorenz

Ver.di-Gewerkschaftschef Frank Bsirske ist der Held des Tages, so scheint es.  Er ist nach Hameln gekommen um die BHWisten aus dem Tal der Tränen zu führen. Kollektiv ist der Aufschrei angesichts des Sanierungspaketes, das den in Hameln noch verbliebenen 1500 Mitarbeitern des ehemaligen Beamtenheimstättenwerkes bislang nicht gekannte „Zumutungen“ abverlangt.

Die Postbank will Teile des Baufinanzierers ausgliedern um dann die betroffenen Mitarbeiter, die das mitmachen würden, zu schlechteren Tarifbedingungen weiterzubeschäftigen. Dieses Filetieren kennt man auch aus anderen Branchen. Sogar aus dem Zeitungswesen in Niedersachsen. Für die einen, ultima ratio im Überlebenskampf, für die anderen eine ausgemachte Sauerei um Gehälter zu drücken und Tariferrungenschaften der Gewerkschaften zurückzudrehen. Was sich beim BHW abspielt ist ein Wirtschaftskrimi. Und Kommissar Colombo, seligen Angedenkens, würde sich, schon im Gehen unter der Tür nochmals umdrehen, Bsirske fixieren, und sagen: Da war doch was! Haben die Gewerkschaften, die jetzt die Ausbeutung der BHW-Mitarbeiter beklagen, markig den Unternehmenstod auf Raten brandmarken, nicht einst selbst das Beamtenheimstättenwerk ausgequetscht wie eine Zitrone?  Hat der dramatische Niedergang nicht unter der Gewerkschaftsregie begonnen?

 

 

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Wo waren Bsirskes Genossen in den 90er Jahren, als es erstmals richtig bergab ging? Haben sie damals für die Anliegen der Mitarbeiter gestreikt? Einen Gewerkschaftsbetrieb gar mit einem Warnstreik bedroht? Rückblende: Die Gewerkschaften bekamen nach dem Krieg von der britischen Militärregierung einen 50 %-Anteil  BHW geschenkt. Sie haben niemals eine Mark oder einen Euro investiert.  Dagegen musste das BHW mehrmals mit seiner wirtschaftlichen Potenz die gewerkschaftlichen Pleiteausflüge in das freie Unternehmertum bezahlen.

Ist schon vergessen wie die Neue Heimat, wie Coop und so mancher Verlag, der zum Tafelsilber der Gewerkschaften gehörte, aufgrund ideologisch bedingter Misswirtschaft pleite ging?

Das BHW war zu einem Ausschüttungslieferanten für die Gewerkschaft verkommen

Die bittere Wahrheit ist, an die heute niemand mehr erinnert werden will: Das stolze und mit seinem Geschäftsmodell eigentlich unkaputtbare BHW war zu einem Ausschüttungslieferanten verkommen.

Die Ausschüttung des BHW war früher auf 4 % begrenzt, weil es als cleverer Finanzierer von bescheidenen Hausbauträumen gemeinwirtschaftlich war. Darüber hinaus gehende Erträge wurden an Sparer und Mitarbeiter ausgeschüttet. Das verschaffte dem BHW einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil, von dem sowohl Kunden als auch  Mitarbeiter profitierten. Mit der höheren Ausschüttung an die Gewerkschaften wurden diese Vorteile verspielt. Das Unternehmen musste den gesamten Vertrieb von der Vertrauensleuteorganisation zu einer HGB-Organisation umbauen. Prompte Folge: Der Umsatz brach von 20 Millionen DM auf 10 Millionen DM in einem einzigen Jahr ein! Dramatisch die weiteren Auswirkungen: Das BHW kam in eine Schieflage und war 1989 für einen Betrag von 500 Millionen DM nicht zu verkaufen. Wäre dies heute vor dem Hochzeitshaus und in der Rattenfängerhalle aus dem Munde von Bsirske nicht auch eine kleinere Reminiszenz wert gewesen – für die jüngeren BHWisten zum Beispiel, damit sie wissen, mit wem sie es am Rednerpult zu tun haben?

1993: Der A-Tarif wurde abgeschafft...

Und es geht so weiter: 1993 wurde mit dem Projekt Zukunftssicherung die Profitabilität durch das neue Management deutlich erhöht. Davon profitierten wiederum die gewerkschaftlichen Anteilseigner. Die Beschäftigten mussten Lohnzugeständnisse machen, besonders wurde aber die Alterssicherung drastisch verschlechtert. Der A-Tarif wurde abgeschafft. Nebenbei bemerkt war jetzt die bis dato einmalige Alterssicherung unter dem Niveau der Deutschen Bank.

Und unter aktiver Beteiligung der Gewerkschaftsseite geht die BHW-Talfahrt hurtig weiter: 1997  wurde das BHW von der BGAG (Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften) und ihren Vertretern in den Gremien gedrängt, den Anteil an der AHB (Allgemeine Hypothekenbank) von 25%  auf 40 % zu erhöhen. Weiterhin wurde für 10 Millionen Euro die unternehmerische Führung angedient, damit die Verantwortung nicht bei Gewerkschaftlern lag. Sodann übernahm das BHW per Patronatserklärung erhebliche Risiken der AHBR (Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden AG). Nach außen wurde verkauft, dass dieses dem Rating der AHBR diene und das Börsenunternehmen BHW stütze. Tatsache war, dass damit das BHW die spätestens seit dem 11. September 2001 unverantwortlich hohen Risikopositionen der AHBR am Hals hatte.

Die Lasten vom Mehrheitseigner wurden beim BHW abgeladen

Und man weiß doch wie es dann weiter gegangen ist: In den wesentlichen Gremien der AHBR saßen die Spitzenvertreter der BGAG und der Gewerkschaften. In all den Jahren zahlte das BHW sehr hohe Dividenden, von denen besonders die BGAG profitierte. Bei der sich seit Mitte 2002 abzeichnenden Pleite der AHBR wurden die Lasten vom Mehrheitseigner  weitgehend beim BHW abgeladen, mit der Konsequenz, dass das BHW an die Postbank verkauft wurde.

Bei den seinerzeitigen Verhandlungen um Abfindungsregelungen und anderen personellen Veränderungen zu Lasten der Mitarbeiter kam man, im Vergleich mit anderen Unternehmen, zu erstaunlich guten Lösungen aus Arbeitgebersicht. Ein Beispiel sind die Höchstsummen der Abfindungen für tarifliche Mitarbeiter bei BHW mit AEG/Elektrolux.

Insgesamt summieren sich die Beträge, die die Gewerkschaften durch den Börsengang, den Verkauf, die Dividenden und die personelle und materielle Unterstützung von anderen gewerkschaftlichen Aktivitäten, besonders AHBR durch  die BHW erzielt haben, auf einen Betrag der etliche hundert Millionen Euro erreicht.

Doch wo, um himmelswillen, war  in all den Jahren dieser Nackenschläge für das BHW und damit auch für die Stadt Hameln und das Weserbergland die machtvolle Ver.di-Organisation? Wo war Genosse Bsirske? 2004 noch waren 5200 Arbeitnehmer beim BHW beschäftigt. Da hätte er noch richtig was retten können. Doch jetzt, da dieser einstige Musterladen des Bausparwesens auf 1.545 Mitarbeiter zusammengeschmolzen ist, macht Frank diesen Hermann?

Warum hat sich Frank Bsirske jetzt erst nach Hameln verirrt?

Kann es sein, dass Frank Bsirske sich erst jetzt nach Hameln verirrt, weil er seinen Lieblingsgegner Ackermann, hilfsweise die Deutsche Bank, im showdown an der Weser medienträchtig stellen kann? Wenn dem so ist, dann wären die BHW-Mitarbeiter nur die Komparsen in einer Gewerkschafts-Schmierenkomödie sondergleichen. Hätte ihm deren Schicksal wirklich am Herzen gelegen, wäre er mindestens zehn Jahre früher gekommen – in Sorge, aber ohne Presse. Ein Großteil der Medien wird ihm auf dem Leim gehen. Auch weil dieser Wirtschafts- und Gewerkschaftskrimi mit vielen Halbwahrheiten gemischt ist und auf die Vergesslichkeit des kollektiven Gedächtnisses bauen darf.  Es war geradezu lächerlich, wie einige Redner vielsagend auf die verblasste Fassade der Deutschen Bank schräg gegenüber vom Hochzeitshaus gedeutet hatten.  So als wäre dies Ackermanns Vorposten. Dabei signalisiert dieses Erscheinungsbild eher für wie unbedeutend das Unternehmen inzwischen den „Finanzplatz“ Hameln hält. Das war mal anders.

Wo war Wulff in all den Jahren? Und was hat Schröder gemacht?

Auch und gerade die Politik hat versagt im Fall des einst glorreichen BHW. War es Gutgläubigkeit, stille Häme gar, dass einige führende Christdemokraten sich um die Zukunft des einst gewerkschaftseigenen Unternehmens keine Sorgen zu machen schienen? Als Ministerpräsident hat sich Wulff bei diesem Drama auffallend bedeckt gehalten, wo er doch bewiesen hatte, dass er um andere Arbeitsplätze mit harten Bandagen und beachtlichem Erfolg kämpfen konnte.

Jetzt ist also Frank Bsirske im Alleingang die Bühne in Hameln überlassen. Er scheint das zu genießen und geradezu zu inszenieren. Es wird großes Theater werden, mit vielen großen und kleinen Bühnen bundesweit. Wenn sich dann der Vorhang schließt, wird der Beifall enden wollen.

 

 

 
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