Der Kommentar

Anja Niedringhaus hat die Wahrheit fotografiert. Und ihr Tod eine Lüge offenbart

Von Ralph L o r e n z

Weltweit sind im vergangenen Jahr annähernd hundert Journalisten in Ausübung ihres Berufes ermordet oder getötet worden. Und in diesem Jahr dürften es nicht weniger werden. Die AP-Fotojournalistin Anja Niedringhaus wurde wie ihre Kollegen kaltblütig hingerichtet. Ausgerechnet von einem Polizisten, der den Auftrag hat für Sicherheit zu sorgen.

Der Mann hat Anja Niedringhaus offenbar in Sippenhaft genommen. Er kannte sie höchstwahrscheinlich nicht. Aber sie war blond und eine Reporterin aus einem Nato-Land, aus dem Westen. Das war ihr Todesurteil. „Gott ist groß“ hat er gerufen als er die wehrlose Frau menschenverachtend auf dem Rücksitz ihres Kolonnenfahrzeuges zusammenschoss. In einer Vernehmung soll er als Tatmotiv einen westlichen Angriff auf sein Dorf angegeben haben.



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Die Presse macht aus solchen Attentätern gerne gedankenlos „Gotteskrieger“.

Gott hat keine Krieger. Gott führt nicht Krieg.

Viele Zeitungen übernehmen diesen absurden Sprachgebrauch und erhöhen damit solche Kriegsverbrecher in den Stand der (Rache-)Engel. Deshalb die eindringliche Bitte an die Kollegen: Hört auf mit dem schwachsinnigen, wahrheitsverdrehenden Sprachgebrauch von der Gottes-Kriegerschaft. Es ist die Sprache des Teufels.

Anja Niedringhaus hatte gehofft mit ihren Bildern dem sinnlosen Töten Einhalt gebieten zu können. Ein rührendes Anliegen. Aber andererseits gar nicht so abwegig.

Und es stimmt doch: Ein Foto kann einen Krieg beenden

Das AP-Foto aus dem nicht enden wollenden Vietnamkrieg, eine Ikone des Fotojournalismus, hat seinerzeit tatsächlich die Kriegsmaschinerie in Vietnam gestoppt.

Es zeigt das kleine Vietnam-Mädchen, mit schmerzverzerrtem Gesicht, nackt, hinter sich der dunkelrot drohende Rauchpilz der Napalmbombe, die soeben von amerikanischen Flugzeugen abgeworfen worden war. Dieses Bild hat sich in die Herzen gebrannt, den US-Politikern und allen Kriegsbeteiligten eine Woge der Empörung beschert. Heute würde man sowas Shit Storm nennen.

Vielleicht war Anja Niedringhaus auf dem Weg ein solches Foto zu schießen, das die Grausamkeit und Verlogenheit dieses Kriegsszenarios entlarvt.

Wenn heute Fotografen verächtlich als Paparazzi verunglimpft werden, als sensationsgeil, dann sollte bedacht werden, dass es genau diese Bilder sind, die das Geschwurbel der Diplomatensprache durchbrechen und ins Herz treffen. Fotos von Journalisten, die der Wahrheit nahe kommen. Manchmal zu nahe.

Kameras machen keine guten Bilder. Und Waffen töten nicht

Es war nicht ihre Kamera, die „gute Bilder“ gemacht hat. Sondern ihr gutes Herz. Ihr sicheres Auge für das Motiv dahinter. Die Kamera von Anja Niedringhaus war ein komplexes Werkzeug in den richtigen, in diesem Fall begnadeten Händen. Der gefrorene Moment einer 60tel oder 250tel Sekunde ist noch immer das stärkste Ausdrucksmittel in der Welt der Bilder, auch der bewegten.

Bilder, die fürs Leben gern gemacht und wahrgenommen werden. Und manches Mal mit dem Leben bezahlt werden.

Es gibt eben noch eine Welt hinter den selbstverliebten "Selfies", dem geposteten Bilder-Müll wie er wichtigtuerisch in der Wort- und Bild-Diarrhoe der "sozialen Medien" wie Facebook pausenlos hervorquillt. Fotos sind nicht nur Kreisch-Objekte in einer Non-stop-Party des Lebens. Wer sehen, wer begreifen will stellt zuerst den Verstand scharf - und dann erst das Motiv.

Aber noch ein anderer Aspekt muss abschließend zwingend angesprochen werden. Die Waffe des Mörders.

Waffen töten nicht. Genauso wie Kameras keine Bilder machen.

Es ist der Mensch, der gebraucht oder missbraucht.

War die Todeswaffe aus deutscher Produktion?

Die Wahrscheinlichkeit wäre groß gewesen, dass die Tatwaffe, mit der Anja Niedringhaus hingerichtet wurde, aus deutscher Produktion hätte stammen können, der Täter von Deutschen ausgebildet worden war.

Dass von Deutschland ausgebildete afghanische „Polizisten“ - ausbildungsresistent und zum überwiegenden Teil Analphabeten - scharenweise mit hochwertigen deutschen „Präzisions-Schusswaffen“ zu den Taliban übergelaufen sind, ist seit Jahren ein offenes Geheimnis. Der Irrglaube in überschaubarer Zeit in diesem archaischen Land ein Rechtssystem aufbauen und Polizisten ausbilden zu können ist im Rückblick mit einem hohen Blutzoll bezahlt worden.

Im fernen Berlin ist das Debakel trotz publik gemachter Expertenkritik in den Ministerien beharrlich ignoriert oder wechselweise schön geredet worden. So hat das Schicksal von Anja Niedringhaus auch die angeblich erfolgreiche Aufbauarbeit der Deutschen in Afghanistan, denen die Ausbildung der sogenannten Polizei oblag, als tödliche Lüge offenbart.

Diese Wahrheit, diese brutale Momentaufnahme, hat Anja Niedringhaus mit dem Leben bezahlt. Die angeblich segensreiche, nachhaltige Aufbauarbeit der Deutschen in Afghanistan ist schon jetzt gescheitert - alles andere eine Lüge.

 

 
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