Der Kommentar

Deutschland und unsere Erregungs-Kultur - auf die Empörungsprofis und die Medien ist auch diesmal Verlass  

Von Ralph L o r e n z

Deutschland hat sich zur Erregungsgesellschaft entwickelt. Der linke Publizist Henryk M. Broder hat dies dieser Tages aus aktuellem Anlass festgestellt. Leider hat er mal wieder recht.

Die Medien sind an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig, wenn nicht sogar der entscheidende Transmissionsriemen, der selbst regelmässig heiß läuft und für Überhitzung sorgt. Zum Schluss werden nur noch Satzfetzen transportiert. Und die reichen schon um die sperrangelweiten Öffnungen der Großmäuler zu befriedigen. Die gibt es, was weniger erstaunt, in allen Lagern. Nur werden sie jeweils nur im gegnerischen Lager als solche verortet, weil es nun mal so ist, wenn nur in eine Richtung gebrüllt wird. In der Erregungsgesellschaft kommt zuerst die Empörung, dann erst das Nachdenken. Dass letzteres wie ein Naturgesetz immer eintritt, ist leider nicht erwiesen. Sonst hätte die Empörung nämlich mit dem nachfolgenden Nach-Denken eine konstruktive Funktion. So aber wird sie wie eine Stalinorgel verbaler Sprengsätze eingesetzt, die die andere Seite erschrecken, einschüchtern und letztlich mundtot machen soll. Denn auf diesem Schlachtfeld der Dumm-dumm-Geschosse werden keine Gefangenen des Geistes  gemacht. Abends im  Einschalt-Quoten-TV nicht und immer weniger in den Gazetten.

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Argumente, die gefangen nehmen und verfangen könnten, werden als viel zu komplex empfunden – angeblich sind sie nicht mediengerecht. Lieber werden im Fernsehen sinnfreie Teaser eingespielt, weil die TV-Produktionsgesellschaft von Anne Will daran mehr Geld verdient und sich wichtig nimmt. Wir haben immer mehr Freizeit, aber wir nehmen uns immer weniger Zeit um zuzuhören und zu lesen. Droht die intellektuelle Auseinandersetzung immer mehr zum verbalen Ballerspiel zu verkommen, bei dem es vor allem darauf ankommt den anderen mit einem stigmatisierenden Meinungsmarker zu behaften? Interessanterweise ist es das Internet als jüngstes aller Medien, das der Differenzierung und der Einzelmeinung mehr Geltung einräumt. Zumindest für jene, die hören und lesen wollen. Hier sind Statistiken und Dokumente abgespeichert, für den Zugriff der Nachdenklichen und Nachfragenden. Das Internet befriedigt dabei zwei gegensätzliche Pole: Einerseits befördert es die Kurzatmigkeit der Bloggermeinungen bis hin zum Twitter-Wortschnipsel-Gezwitscher – andererseits wird es zur freien Faktenbibliothek inklusive der ausgegrabenen Geheimdokumente von Wikileaks. Und noch ist es ein Medium ohne Denkverbote.

Das Internet ist das Medium ohne Denkverbote

Würde Gott heute die Welt erschaffen müssen, würde er vorher googeln. Der Teufel auch. Soviel zur Diskussionskultur, befördert von Frank Plasberg und Co. auf Plasmabildschirmen und Printmedien wie jener„Bild“ vom gestrigen Samstag, die verschwommene Bilder liefert um ein Millionenpublikum zu zwingen alles durch die rot-blaue Brille zu betrachten, damit sich alles zu einem dreidimensionalen Sinneseindruck zusammenfügt. Dazu mussten sich die Leser gewissermaßen ein Brett vor den Kopf halten. (Welcher Bild-Kritiker wäre schon auf diese symbolische Geste gekommen?) Wer das gestern zehn Minuten durchgehalten hat, war anschließend nicht ganz bei Sinnen und für geraume Zeit keineswegs fahrtüchtig. Die dritte Dimension – die Dimension der Erkenntnis ist Bild der Leserschaft bis heute dennoch schuldig geblieben. Aber warum sollen Bild-Leser mehr wissen als die Leser des niedersächsischen Tageszeitungsmonopolverlages in Hannover, der auch ohne „Drei-D-Druck“ eine Meinungsvielfalt vorgaukelt, indem er nur noch die Zeitungsformate und Zeitungsköpfe für ein und denselben Meinungs- und Nachrichtenmix austauscht? Da hilft auch keine rot-blaue Brille mehr. In Niedersachsens Blätterwald von einst ist längst das Laub gefallen und die Druckereibesitzer lachen sich einen Ast, weil sie nur die gewinnbringende rotierende Rotationstrommel interessiert.  Was da letztlich gedruckt wird, scheint in diesen Etagen niemanden mehr zu interessieren.

Verleger und Herausgeber, die Sponsoren und Initiatoren der gedruckten Geistesplattformen jeglicher Couleur sind ein aussterbendes Volk geworden. Auch das hat seine Auswirkungen auf die Diskussionskultur in unseren Tagen und vor allem in dieser Region, die zwischen mehreren Lokalzeitungen und damit auch politischen Perspektiven wählen konnte. Und jetzt, jetzt endlich kommt in diesem Kommentar Sarrazin ins Spiel.

Die Auflage von Hürriyet steigt, die der Frankfurter Rundschau sinkt

Ist es schon migrationsverachtend, wenn die Befürchtung geäußert wird, dass die Auflage von Hürriyet immer mehr steigt und die der Frankfurter Rundschau und der FAZ immer mehr den Main runter geht?

Diese Befürchtung steht nicht bei Sarrazin, der nicht für alles in Haft genommen werden darf, sondern als Gedanke an dieser Stelle in den Weserbergland-Nachrichten.de  Gerade das Weserbergland muss sich in besonderem Maße der demographischen Entwicklung stellen, die der dramatische Anlass für Sarrazins als Sprengsatz empfundene Streitschrift ist.  Vor allem in Holzminden hat der Prozess der Verödung begonnen. Bevölkerungsschwund. Abwanderung von gut ausgebildeten Facharbeitern. Schließung von Fachgeschäften, Eröffnung von Dönerbuden. Das Weserbergland ist aber auch der Beleg dafür, dass Sarrazins Thesen zur Bewältigung der Probleme vor Ort nicht wirklich weiterhelfen. Hier müssen eigene Antworten gefunden werden. Unaufgeregt, aber mit langem Atem und kurz- und mittelfristig gesteckten überschaubaren Zielen.

Die Deisterstraße in Hameln gibt Anlass zur Hoffnung und zeigt die Grenzen auf

Die Deisterstraße in Hameln ist wie ein gesellschaftspolitisches Fieberthermometer. Gewissermaßen ein Mikrozensus der Migranten. Am einen Ende gegenüber der Tankstelle, im alten Kino ist endlich die unerträgliche rechtsextreme Spätvorstellung der Rieger-Riege beendet. Das macht Hoffnung. In der Deisterstraße selbst hat sich ein Mix von Lädchen und Nischenexistenzen aufgetan, der anschaulich belegt, dass nicht wenige Migranten mehr oder weniger erfolgreich wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen und sich mehr oder wenig zu Hameln bekennen. Einige sind assimiliert, andere integriert.

Nicht aus Zufall waren hier die ausgelassensten Freudentänze als die deutsche Nationalelf in der WM nach vorne stürmte. Doch darf man sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass das letztendlich nur Kiez-Romantik in der Provinz ist. Um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können brauchen wir kein Wettbüro neben dem anderen. Diese Wette würden die Deutschen sofort verlieren. Technisch-innovative Migranten-Betriebe sind in der Deister-Straße noch nicht gegründet worden. Aber, wer weiß?

Gut, dass Sarrazin die Fard-Pleite nicht mitbekommen hat

Und der große Vorzeigebetrieb des persischen Brüderpaares aus dem arabischen Raum, der in einem Hamelner Hinterhof gegründet worden war, sich mit vielen Millionen Euro an staatlichen Fördermitteln als Vertrauensvorschuß in schwindelerregende Schuldenhöhe katapultiert hat und dessen Insolvenz nun auch Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt beschäftigt, kann nun nicht mehr als Aushängeschild dienen. Vor ein paar Jahren wäre das noch der Fall gewesen. Gut, dass Sarrazin das nicht mitbekommen hat.

Migranten können auch ein Standortvorteil sein für eine Region mit mittelständischen Betrieben, die im internationalen Wettbewerb stehen. Ein Potential ist gerade im Weserbergland vorhanden. Zumindest theoretisch. Das setzt nicht nur den Ausbildungswillen in den heimischen Unternehmen voraus (der vorhanden ist) sondern auch den Fortbildungswillen. Doch wo soll der Wille zur Fortbildung herkommen, wenn schon der Bildungswille in den verbreiteten sogenannten bildungsfernen Schichten Sorgen bereitet? Es kann nicht nur eine Frage des Geldes und der Chancengleichheit sein, wie immer unterstellt wird!  Und Gutmenschentum hilft nicht weiter, beruhigt allenfalls das Gewissen, entlastet es aber nicht.

Kein Brandstifter, aber ein Feuermelder

Wenn der Erregungsphase jetzt eine Phase des Nachdenkens und Zuhörens folgen würde. Ohne Scheuklappen und Denkverbote, wäre immerhin was gewonnen.

Wie kein zweiter surft Sarrazin auf der Woge der Erregungskultur. Mag sein, dass er sogar eine destruktiv erscheinende Lust daran hat. Sarrazin ist aber kein Brandstifter, sondern ein Feuermelder! Und Feuermelder sind nunmal schrill. Sie müssen nicht nur laut, sondern sogar unerträglich sein. Die verfehlte Migrationspolitik in Deutschland ist ein anhaltender Schwelbrand.

 
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