Der Kommentar

Die Piraten, das sind in Wirklichkeit die anderen...

Von Ralph Lorenz

Nomen est Omen. Erich Sturm heißt der Spitzenkandidat der Piratenpartei in Bremen. Und selbigen hat er gerade erlebt. In einer Nacht- und Nebelaktion hat die Polizei mal eben die Server der Bundespartei vom Netz genommen und Sturms Piraten damit zwei Tage vor der Bürgerschaftswahl in Bremen an Land gespült.

Gestern Abend hatten sich dann die Nebel gelichtet. Die Polizeiaktion hatte sich – sorry - nicht gegen die Partei an sich gerichtet sondern gegen einen befürchteten Hackerangriff der autonomen Internetgruppe Anonymus, die sich – natürlich wie immer anonym und ohne zu fragen – der Servereinrichtungen bedient haben soll. Ziel der anonymen Hacker soll diesmal ein französischer Stromkonzern - Electricité de France – gewesen sein. Er ist AKW-Betreiber. Soweit so gut. Was bleibt ist eine Welle von Fragen, die sich zum Tsunami aufschaukeln können. Ist es gerechtfertigt, wegen einer einzigen Datei, eines Tools, die beide nichts mit dem Serverbetreiber zu tun haben, beziehungsweise von anderen missbraucht worden sind, eine komplette Partei vom Netz zu nehmen, indem gleich der ganze Server abgeschaltet wird? Ist es Dummheit, Bosheit, Ignoranz, Allmachtsgehabe einer Ermittlungsbehörde, die sich hier und da bereits klammheimlich zur alles aushebelnden Institution verselbständigt hat und sich im Auftragseifer nicht mehr an die Gepflogenheiten der Demokratie gebunden fühlt? Die Bürgerschaftswahl in Bremen muss den Herrschaften von Polizei und Staatsanwaltschaft ziemlich wurscht gewesen sein. Damit haben sie ihren Auftrag, die Sicherheit der Demokratie und unserer freiheitlich-rechtlichen Grundordnung zu gewährleisten, sträflich missachtet und verraten.

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Geradezu staatstragend zurückhaltend hat sich gestern Abend der Bundesvorstand der Piratenpartei zu dem in der Parteiengeschichte einmaligen und hoffentlich letztmaligen Vorfall geäußert. Er will Aufklärung und prüft geeignete rechtliche Schritte. Die französische Polizei hatte ein Amtshilfeersuchen an die deutschen Kollegen gerichtet. Klar war auch, dass eine befürchtete Hacker-Attacke gegen einen Stromkonzern, der auch noch Atomkraftwerke betreibt, unverzüglich mit höchster Priorität abgewehrt werden muss. Zu diesem Zwecke aber eine ganze Partei abzuschalten, wo es nur um eine Datei geht, die gar nichts, rein gar nichts mit der Partei und dem Serverbetreiber zu tun hat, ist ein Anschlag auf unser Parteiensystem, der nicht ohne Konsequenzen bleiben darf.

Man stelle sich vor: Zwei Tage vor der  Kommunalwahl in Niedersachsen wird die komplette CDU vom Netz genommen. Oder SPD und FDP. Nebenbei gefragt: Wo bleibt eigentlich der solidarische Aufschrei der sonst so fixen Pressesprecher anderer Parteien?

Eine Partei, wie die der Internetpiraten, die sich durch das Internet und dessen Herausforderungen an Datenschutz und Informationsfreiheit existenziell definieren, wird mit der Stillegung des Bundesparteiservers ins Mark getroffen. Denn sie kommuniziert logischerweise in erster Linie über das Internet – und das um so mehr als sich der Wahlkampf in der Ziellinie befindet: Letzte Maßnahmen müssen in dem Bremer Piraten-Wahlkampfbüro getroffen werden, kurzfristige Termine sind zu managen, es gibt Absagen, Zusagen, neue Informationen kurz vor dem Wahlabend.

Das alles müssen die sogenannten Staatsdiener, die mal eben den Hebel umgelegt und den Piraten-Kahn stillgelegt haben, doch gewusst haben! Ist es gar mit klammheimlicher Freude geschehen? Den Jungspunten in der Parteienlandschaft mal eben die Ohnmacht des Internets spüren zu lassen, weil es da eine Institution nahmens Staatsanwaltschft gibt, die mit einem behördlichen Durchsuchungsbefehl auch die verwegendsten Pötte entern kann? Es gibt inzwischen viele Beispiele für das rücksichtslose und unangemessene Vorgehen von aus dem Ruder laufenden Staatsanwaltschaften. Von der abwegig inszenierten Kachelmannverhaftung bis zur seltsamen Dramturgie der Festnahme eines Arztes im Weserbergland, die sich im Nachhinein als maßlos und unangebracht herausgestellt hat. Auch hier sind klammheimliche Lust- und Machtgefühle verdeckter Auftraggeber nicht auszuschließen.

Die Internetseiten bka.de und polizei.de waren zeitweise nicht zu erreichen

Sollte dies das unausgesprochene Motiv gewesen sein, nämlich die nächstbeste Gelegenheit zu nutzen das Internetschiff der Piratenpartei zu entern und vorübergehend zu versenken, das natürlich niemand zugeben wird, wäre es das dümmste von allen. Denn dieser Polizei-Übergriff, diese unangemessene Überreaktion wird die Piratenpartei in Bremen jetzt noch ein paar Punkte nach vorne bringen. Möglicherweise sogar in die Bürgerschaft spülen.  Das ist für die Strategen in der Piratenpartei die gute Botschaft. Immerhin gilt sie als die sechstgrößte Partei in der Parteienlandschaft und ist auch im Weserbergland gerade bei der Generation der Internet-Freaks nicht ohne Chancen. Es sind hierbei nicht nur die Jüngeren, die Gefallen finden an einer Partei, die ihr Wahlprogramm ins Internet stellt und dazu einlädt online via Internet daran mitzubasteln. Das hat es so noch nicht gegeben. Die Piraten haben damit einen neuen Politikstil eingeführt.

Vielleicht sollten die vollzugswütigen Herren mit dem Dienstausweis mal etwas Demokratieverständnis bei den Bremer Piraten schnuppern, damit sie auf neue Gedanken und ins normale Fahrwasser kommen. Sie könnten sich von den IT-Profis der Piraten auch zeigen lassen wie man eine Datei sicherstellt ohne den ganzen Server und damit eine ganze Partei bundesweit für viele Stunden lahm zu legen. Mal eben mit der Schrotflinte ins Dunkle zu schießen um dann zu gucken was übrig bleibt, diese plumpe Methode kennt man inzwischen auch von anderen Behörden.

Diejenigen, die Staatsanwaltschaft und Polizei eigentlich aus dem Verkehr ziehen wollten, die Gruppe der international operierenden anonymen Hacker, die auch schon im Wikileaks-Fall Schlagzeilen gemacht hatten, haben sich gestern Mittag wenig beeindruckt gezeigt.

Die Internetseiten bka.de und polizei.de waren zeitweise nicht mehr zu erreichen. Wie dumm auch.

 
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