Schuldspruch gegen Paralympics-Star
Rechtsexperten: In Deutschland wäre Pistorius wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt worden

Freitag 12. September 2014 - Berlin/Pretoria (wbn). Der Fall Oscar Pistorius bewegt auch die Menschen im Weserbergland. Bereits gestern machte das Thema einen großen Teil der Medienberichterstattung aus, die nicht nur Schützen aus der Region interessiert verfolgt haben dürften. Ob das Urteil allerdings hierzulande genauso ausgefallen wäre wie in Südafrika – nämlich auf fahrlässige Tötung lautend –, ist fraglich.

Jetzt haben sich zwei Rechtsexperten bei den Weserbergland-Nachrichten.de gemeldet, die den Fall mit dem Waffengebrauch in Südafrika, einem ähnlichen Fall in Deutschland und der deutschen Rechtsprechung in Zusammenhang setzen. Dr. Thomas Schulte und Dr. Erik Olaf Kraatz von der Kanzlei Dr. Schulte und Partner aus Berlin sind sicher: In Deutschland wäre Oscar Pistorius wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt worden.

 

 

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Heute Vormittag, wenige Minuten vor der Urteilsverkündung, erreichte die Weserbergland-Nachrichten.de die Stellungnahme der Rechtsexperten, in der sie bereits mit der Verurteilung rechneten:

„Mit seinen vier Schüssen durch eine geschlossene Tür wollte der südafrikanische Paralympics-Star Oscar Pistorius auf einen mutmaßlichen Einbrecher schießen. Getroffen hat er jedoch seine Freundin Reeva Steenkamp. Das südafrikanische Gericht wird den Leistungssportler heute höchstwahrscheinlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilen. Doch wie kann man annehmen, dass einem Schützen im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, der seine Waffe viermal hintereinander abfeuert, nicht klar gewesen sei, dass er damit einen Menschen töten kann? Nach deutschem Recht würde Pistorius wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt werden.

Schusswaffengebrauch in Südafrika

Das Verhältnis, das in Deutschland zum Thema Schusswaffen gepflegt wird, ist ein ganz anderes als in Südafrika. Das Magazin ‚GUN AFRIKA’, dass man in jedem südafrikanischen Supermarkt kaufen kann, gibt in seiner aktuellen Ausgabe auf Seite 49 Tipps zur Frage „Ich habe einen Angreifer erschossen, was soll ich tun?“. Damit wird Töten auf der gleichen Ebene abgehandelt wie anderen Orts Kochen oder Gartenarbeit. Für das Magazin ‚GUN AFRICA’ gilt scheinbar: Erst schießen, dann denken.

Schusswaffengebrauch in Deutschland

In Deutschland ist der Schusswaffengebrauch für eine absolute Notwehrsituation erlaubt, allerdings nur eingeschränkt: Vor dem Schießen ist zu warnen („z. B. „Halt oder ich schieße!“) und dann ein Warnschuss abzugeben. Erst wenn ein Angreifer hierdurch nicht zu stoppen ist, darf scharf geschossen werden. Möglichst erst in weniger gefährdete Körperregionen. Lediglich wenn nur ein sofortiger Schuss das eigene Leben oder den eigenen Körper retten kann, ist ein unmittelbarer tödlicher Schuss durch das Notwehrrecht (§ 32 des Strafgesetzbuchs) zulässig und straflos. Das nach dem Amoklauf von Winnenden inzwischen sehr strenge deutsche Waffenrecht sorgt jedoch dafür, dass nur wenige Waffen im Umlauf sind.

Ein deutscher „Pistorius-Fall“

Der Fall von Oscar Pistorius ähnelt einem Fall, der sich vor wenigen Jahren in Deutschland abgespielt und für sehr viel Wirbel gesorgt hat – der „Hells Angel-Fall“: Der „Waffenmeister“ des Motorrad- und Rockerclubs „Hells Angels“ erwartete einen Angriff der rivalisierenden Bandidos. Gerade zu dieser Zeit plante die Polizei eine Durchsuchung seines Wohnhauses durch ein Sondereinsatzkommando. Der „Sergeant at arms“ hörte die Geräusche, als der Türöffnungsspezialist gerade dabei war, seine Tür aufzubrechen. Darum bewaffnete er sich, schaltete das Licht vor seiner Haustür an und schrie „Verpisst euch“.  Da der Türaufbruch weiter ging, nahm der „Waffenmeister“ an, es könne nur ein Bandido sein, der ihn umbringen wolle. Er schoss durch die geschlossene Glastür und traf den Türöffnungsspezialisten tödlich. Für diesen Schuss wurde er letztlich vom Bundesgerichtshof freigesprochen. Begründung: Objektiv lag zwar kein Angriff vor, aber subjektiv ging er von einem gerade erfolgenden tödlichen Angriff eines Bandidos aus, der sogleich seine Tür knacken und ihn hätte umbringen können. Der Bundesgerichtshof nahm also an, dass der „Waffenmeister“ fest von einem Szenario überzeugt gewesen wäre, in dem nur ein Schuss aus Notwehr ihm das Leben gesichert hätte. Damit entfiel der Schuldvorsatz und auch ein Verschulden fahrlässiger Tötung konnte nicht festgestellt werden: Die Polizisten hatten sich nämlich nicht zu erkennen gegeben, der Angeklagte hatte wirklich angenommen, auf einen Bandido zu schießen. Im Fall von Oscar Pistorius kann eingewendet werden, dass Pistorius Sicherheitsleute hätte verständigen oder um Hilfe hätte rufen können. Kein „vernünftiger Mensch“ hätte ohne Vorwarnung sofort geschossen. Deshalb ist hier eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung wahrscheinlich.

Pistorius‘ Fall nach deutschem Recht

In Deutschland wäre Pistorius dagegen wegen vorsätzlicher Tötung bestraft worden. Auch wenn tatsächlich ein Einbrecher in Pistorius’ Haus gewesen wäre und Pistorius sich hätte wehren müssen, hätte er einen Warnruf und einen warnenden Schuss abgeben müssen. Beides tat er nicht, sondern setzte seine Schusswaffe sofort mit potentiell tödlicher Wirkung ein. Der tödliche Schuss wäre nicht erforderlich gewesen. Denn anders als im „Hells Angels Fall“, wo der Täter annehmen durfte, es komme unmittelbar zu einem tödlichen Angriff auf sein Leben, kannte Pistorius die Motivation des vermeintlichen Einbrechers nicht. Er wusste noch nicht einmal, ob der mutmaßliche Angreifer bewaffnet war.

Kulturelle Differenz in der Urteilsfindung

Am Umgang mit Waffen zeigt sich eine kultureller Unterschied zwischen Deutschland und Südafrika: Viele Waffen bedeuten eine ständige Gefahr und damit natürlich die Vermutung, jeder Straftäter sei bewaffnet. Auch wenn die Richterin es so nicht ausdrücklich ausgeführt hat, mag eine solche Annahme die Urteilsfindung leiten. Dennoch: Auch nach südafrikanischem Strafrecht reicht Pistorius’ Verhalten für eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung allemal! Er erkundigte sich weder, wer im Raum hinter der Tür sei, noch fragte er die Sicherheitsleute. Stattdessen betätigte er den Abzug gleich vier Mal. Auch ein Einbrecher wäre ein Mensch gewesen, der Anspruch auf die Einhaltung geltender Rechtsnormen gehabt hätte.“

 
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